Christoph Kivelitz

Ulrike Stockhaus – Improved Scenes

Ausstellung in der Kokerei Hansa, Dortmund, in Kooperation mit dem Dortmunder Kunstverein, 10.-12. August 2007

Text im Katalog zur Ausstellung:

Das Menschenbild im Schwellenraum von Realität und Virtualität

Das Bild des Menschen steht im Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung von Ulrike Stockhaus. In den 1980er Jahren geht sie zunächst von expressiv aufgeladenen Aktfiguren in klaustrophobisch anmutenden Szenarien aus. Die Körper sind in ihrer fleischlichen Konsistenz akzentuiert. In krampfhaften Posen ineinander verfangen, scheinen sie Schutz vor einer latent empfundenen Gefahr zu suchen, dabei in existentielle Extremsituationen zwischen Leben und Tod geratend. Das käfig-artige Interieur evoziert die bühnenhaften Schauplätze von Francis Bacon, drängt sich doch auch hier die Nähe zum Theater eines Beckett oder Sartre auf. Offenbar geht es darum, psychologische Empfindungen körperhaft zum Ausdruck zu bringen und hierüber den Betrachter bis zur Unerträglichkeit in eine Zwangslage zu involvieren. Schon in dieser Werkgruppe umspielt Ulrike Stockhaus Schnittstellen und Übergange zwischen der figurativen Darstellung und einer rein geistig-intuitiv, traumhaft zu durchdringenden Vorstellungswelt.

Im Folgenden wird das Spannungsverhältnis von Figur und Raum weiter zugespitzt, indem die Künstlerin den Bildträger nun selbst als plastisches Versatzstück in den Raum einbringt. Durch Biegung wird die Bildebene zum Hohlkörper, der sich nach außen abweisend als monochrome Tafel darstellt, innen demgegenüber eine figürliche Darstellung umfängt. In dieser installativen Präsentation findet die Gestalt einen intimen Schutzraum, der durch die Abgeschlossenheit gegenüber dem Umfeld aber auch eine bedrohliche, zwanghafte Qualität gewinnen kann. Körperhaft wird auch hier eine psychologische Ausnahmesituation radikaler Isolation und Ohnmacht anschaulich erfahrbar.

Seit Anfang der 1990er Jahre verschiebt sich der Fokus der künstlerischen Auseinandersetzung vom Außenbild des Menschen auf die organischen Grundlagen menschlichen Lebens. Aus diversen Materialien — Gips, Pappmaché, Wachs, Silikon - fertigt Ulrike Stockhaus Objekte, die in Form, Farbe und Konsistenz lebende Organismen mehr oder weniger abstrakt evozieren. Sie schafft Ähnlichkeiten mit menschlichen Körperteilen, die gleichzeitig aber auch in ihrer konkreten Dinghaftigkeit betrachtet werden können. Organoide Körper werden so zusammen geführt, dass sie scheinbar aufeinander reagieren und in einer Austauschbeziehung einen lebendigen Prozess aufnehmen. Dem Aufbau des Körpers aus stabilem Knochengerüst, Muskeln und Epidermis analog, gestalten sich die Objekte in Schichten aus Drahtgeflecht, Pappmaché, Wachs, Gips und einer Haut aus Silikon. Den Ausgangspunkt bilden dabei Darstellungen von medizinischen Präparaten und anatomischen Details, die aber nicht naturalistisch wiedergegeben, sondern in ihrer Funktionsweise und strukturellen Ordnung nachempfunden werden, um auf einer erweiterten Betrachtungsebene ihre ästhetische Qualität zu offenbaren. Der Einsatz von Silikon verbindet sich in einem Teil der Arbeiten mit Fotografien von Körpern oder Körperteilen, die in einem Collage-Verfahren zu einem sowohl inhaltlich als auch ästhetisch neuen Bild zusammen gefügt werden. Durch die Verknüpfung von Innen- und Außenansichten des Körpers entsteht ein komplexes, facettenreiches Gesamtporträt des Menschen, das diesen sowohl als Organismus wie auch in seiner psychischen Befindlichkeit anschaulich werden lässt. Die organähnlichen Gebilde werden oftmals wiederum in Installationen eingebracht. Es entstehen zellenartige Strukturen, die den Betrachter beim Betreten emotional einbinden und bei diesem Reaktionen zwischen Attraktion und Repulsion herbeiführen.

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- Einladung zur Ausstellung (PDF)

- Videostills aus der Ausstellung

- Website von Ulrike Stockhaus